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Kolumne des Monats

Unterbesetzung Pflegedienst - zur Arbeitsmarktsituation und den Entwicklungsperspektiven von Pflegefachkräften

Karriere in der Pflege ist (k)eine Utopie! [Februar 2010]

Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) startete Anfang September 2009 mit dem Pflege-Thermometer 2009 die bislang bundesweit größte Befragung von Pflegefachkräften im Krankenhaus. In der Studie werden Fragen zur allgemeinen beruflichen und persönlichen Situation der in den Krankenhäusern tätigen Pflegenden, zu zukünftigen Tätigkeitsprofilen sowie zur Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung untersucht.

Bis Ende Oktober 2009 nahmen fast 10.000 Pflegende an der Untersuchung teil, so viele wie noch nie zuvor, dabei wird das Pflege-Thermometer bereits seit 2002 regelmäßig „angelegt“. Die Veröffentlichung der Ergebnisse ist vom dip für März  2010 angekündigt, und man darf darauf gespannt sein.

Kurz vor Weihnachten hatte der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) seinen Situationsbericht der Pflege in den deutschen Krankenhäusern veröffentlicht. Dieser basiert auf drei Meinungsumfragen, die der DBfK  im Verlauf des Jahres 2009 unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat. Das Ergebnis:  Das Sonderprogramm  zur Entlastung der Pflegekräfte in den deutschen Krankenhäusern ist zumindest bis Ende letzten Jahres kaum bei der Pflege angekommen. Und wegen der hohen Arbeitsbelastung, den als unattraktiv empfundenen  Rahmenbedingungen sowie fehlender Perspektiven im Beruf entscheiden sich immer mehr Pflegekräfte für den Ausstieg – häufig schon unmittelbar nach Ausbildungsende.

Zudem zieht es nach Einschätzung des DBfK immer häufiger  Gesundheits- und Krankenpfleger ins Ausland. In vielen Ländern wie der Schweiz, Großbritannien oder den Niederlanden werden fachweitergebildete Pflegekräfte gesucht und gezielt aus Deutschland abgeworben. Dabei bieten viele Länder neben den besseren Verdienstmöglichkeiten attraktive Arbeitsbedingungen, flexible familienfreundliche Arbeitszeiten, umfangreiche Fortbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen. Dem entgegen haben sich in Deutschland die Arbeitsbedingungen für Pflegende in den Krankenhäusern in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.

Die von Professor Michael Simon, Fachhochschule Hannover,  vorgelegte „Modellrechnung zur Schätzung der gegenwärtigen Unterbesetzung im Pflegedienst der Krankenhäuser" kommt zu dem Ergebnis, dass der Pflegedienst im Jahr 2006 um ca. 64.000 Vollkräfte unterbesetzt war. Da der Stellenabbau auch nach 2006 fortgesetzt wurde, dürfte die Unterbesetzung mittlerweile bei ca. 70.000 Vollkräften liegen. Und würde man die aus Mitgliedsstaaten der EU, der Schweiz und den USA bekannten Relationen auf den Pflegedienst übertragen, müssten in deutschen Krankenhäusern ca. 150.000 zusätzliche Stellen in der Pflege eingerichtet werden. 

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch in der Altenpflege. Im letzten Sommer hatten das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (RWI) und die ADMED GmbH ihren Pflegeheim Rating Report 2009 vorgestellt. Die Autoren der Studie rechnen bis 2020 mit einem zusätzlichen Bedarf von rund 50.000 Pflegefachkräften in der stationären Altenpflege und weiteren 27.000 in der ambulanten Altenhilfe. Die Autoren prognostizieren einen  deutlichen Personalmangel und steigende Löhne für Pflegefachkräfte. Nicht zuletzt deshalb raten sie Karrierepfade neu zu definieren, die Aufstiegsoptionen bieten und den Beruf attraktiver machen.  

Das im September 2009 neu gewählte Präsidium des  Deutschen Pflegerats (DPR) appellierte an die schwarz-gelbe Koalition, die neue Bundesregierung müsse rasch nachhaltige Initiativen zur Behebung der Notlage der Pflegenden und des dadurch ausgelösten Pflegepersonalmangels ergreifen.

Der zwischen CDU, CSU und FDP Ende Oktober 2009 getroffene Koalitionsvertrag geht auf die Thematik insoweit ein,  als es dort heißt: „Die in den Gesundheits- und Pflegeberufen Tätigen leisten einen wichtigen Beitrag für unser Gemeinwesen. Sie verdienen unseren Respekt und Anerkennung. Die Attraktivität dieser Berufe muss auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden“ (Seite 85) und weiter: „Wir wollen ein Berufsbild in der Altenpflege attraktiver gestalten. Darüber hinaus wollen wir die Pflegeberufe in der Ausbildung durch ein neues Berufsgesetz grundlegend modernisieren und zusammenführen“ (Seite 92).

Nun ja, ein paar Schritte in die richtige Richtung. Aber was muss getan werden, um der sich abzeichnenden Versorgungskrise wirkungsvoll zu begegnen? Krankenhäuser und Einrichtungen der Altenpflege müssen Pflegekräfte gewinnen – entwickeln und binden. Dazu gehören eine bessere Entlohnung, familienfreundlichere Arbeitsmodelle, ein besseres Arbeitsklima und eine höhere Verantwortung. Und dafür muss die Politik die Voraussetzungen schaffen.

Ihre
Andrea Piro