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  • Kolumne des Monats

Wünsche und Perspektiven junger Mediziner

Welche Karrierewünsche und Berufsperspektiven haben die heutigen Medizinstudierenden? [Juni  2016]

Jährlich beginnen in Deutschland zika 10.700 junge Leute ihr Studium im Fach Humanmedizin (Staatsexamen). Nach Auskunft des Medizinischen Fakultätentages (MFT) ist die Absolventenzahl in den letzten Jahren kontinuierlich auf über 90 Prozent gestiegen. Wir gehen der Frage nach, welche Karrierewünsche und Perspektiven die angehenden Mediziner haben.

Berufsmonitoring Medizinstudenten 2014

Die Online-Befragung unter Medizinstudierenden 2014 wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zusammen mit der Universität Trier, dem MFT und der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) durchgeführt. Sie will die Karrierewünsche und Berufsperspektiven angehender Mediziner erheben. An der Befragung haben sich mit 11.462 Teilnehmern 13,5 Prozent aller Studierenden beteiligt.Von 37 Fakultätsstandorten konnten 34 in die Auswertung einbezogen werden. Zwei Drittel der Teilnehmer - wie auch der Studierenden insgesamt - sind Frauen.

Berufsziel: Patientenversorgung

Die Analyse der zweiten Welle bestätigt die Ergebnisse der Befragung aus dem Jahr 2010. Junge Menschen studieren Medizin, um hauptsächlich in der ambulanten oder stationären Versorgung zu arbeiten. Dabei sind eine angestellte Tätigkeit im Krankenhaus - die alle angehenden Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Facharztausbildung kennenlernen - und die Niederlassung als Facharzt gleich attraktiv und werden von jeweils rund drei Viertel der Studierenden als Option genannt. Auch eine angestellte Tätigkeit in der ambulanten Versorgung - in einer Praxis oder einem MVZ - ist für die Mehrheit der Befragten eine interessante Berufsperspektive. Demgegenüber kann sich nur ein gutes Drittel die Niederlassung als Hausarzt vorstellen.  

Auch die Forschung an Universitäten oder die Arbeit für Pharma-Unternehmen werden von jungen Medizinstudenten als deutlich weniger attraktiv wahrgenommen.

Kliniken müssen um Ärztinnen und Ärzte werben

Die künftigen Ärztinnen und Ärzte monieren starre Strukturen, unflexible Arbeitszeiten, kaum Teilzeitmodelle und eine immer noch ausgeprägte Hierarchie. Viele Kliniken haben in Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels in Pflege und Medizin bereits darauf reagiert und sich eine neue, mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur gegeben. Dazu gehören strukturierte Weiterbildungsprogramme, unterstützende Mentoren-Systeme und regelmäßige Feedback-Gespräche. Viele Kliniken finanzieren zudem die Teilnahme an Kongressen und unterstützen die angehenden Fachärzte beim Erwerb von Zusatzqualifikationen.

Ärztinnen wollen ein familienfreundliches Krankenhaus    

Gerade für künftige Ärztinnen spielen familienfreundliche Angebote eine große Rolle. Immer mehr Kliniken setzen daher auf flexible Arbeitszeitmodelle,  betriebseigene Kindertagesstätten, Tagesmuttervermittlungen, klinikeigene Feriencamps und  lebensabschnittsadaptierte Arbeitszeiten wie Elternzeit und unbezahlten Urlaub. Auch Frauenförderprogramme und ein betriebliches Gesundheitsmanagement, das dem demographischen Wandel und der Zunahme von psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt Rechnung trägt, gehören dazu.

Sinnvolle Zusatzqualifikationen 

Die Medizin orientiert sich immer mehr an ökonomischen Gesichtspunkten. Deshalb sind Fortbildungsveranstaltungen zu den Themen  Gesundheitsökonomie und Health Care Management sinnvoll. Dabei geht es nicht nur um  ein besseres Kostenverständnis, sondern auch um Themen wie Strategieentwicklung und Reorganisation, Projekt- und Prozessmanagement, Terminmanagement, Kommunikationstrainings und Führungskompetenzen. Es geht also um Kompetenzen, die ganz konkret die tägliche Arbeit und die Zusammenarbeit mit anderen erleichtern können.    

Das Angebot bestimmt die Arbeitgeberattraktiivität einer Klinik

Für viele Kliniken sind die genannten Maßnahmen die entscheidenden Imagefaktoren im Wettbewerb um die besten Ärztinnen und Ärzte. Für diese aber ist es wichtig zu wissen, ob die Maßnahmen auch Realität sind und nicht nur Teil einer Imagekampagne. Es sei daher allen angehenden Ärztinnen und Ärzten empfohlen, sich beispielsweise im Internet, in sozialen Netzwerken und Bewertungsportalen gezielt nach Erfahrungsberichten und Informationen zur Unternehmenskultur sowie dem Arbeitsklima zu erkundigen. Zudem kann auch eine professionelle Karriereberatung  bei der Auswahl des richtigen Arbeitgebers sehr effizient und hilfreich sein.

Karriereperspektive Niederlassung

Für die Mehrheit der befragten Medizinstudenten erscheint die angestellte Tätigkeit in der ambulanten Versorgung - in einer Praxis oder einem MVZ - als interessante Karriereperspektive. Eine Niederlassung, die damit verbundene freiberufliche Tätigkeit, ein vermutetes hohes Investitionsrisiko, die Bürokratie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie Wirtschaftlichkeitsprüfungen und drohende Regresse wirken auf die Medizinstudierenden abschreckend.

Ausschlaggebend für die Angestelltentätigkeit sind geregelte Arbeitszeiten und die Einbindung in ein Team von Ärzten. Erwartet werden ein angemessenes Einkommen und ausreichende Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Damit scheint sich die Einzelpraxis als Modell der ärztlichen Tätigkeit mit einer nur lockeren Kooperation mit Standeskollegen zum Auslaufmodell zu entwickeln - auf jeden Fall stellt sie für die befragten Medizinstudierenden nicht mehr die erste und favorisierte Option dar. 

Imageprobleme des Hausarztberufs müssen gelöst werden

Der Hausarzt hat nach wie vor ein massives Imageproblem. Die hausärztliche Tätigkeit gilt vielen angehenden Medizinern  immer noch als wenig anspruchsvoll, eintönig, abwechslungsarm, wirtschaftlich riskant und schlecht bezahlt. Dieses negative sowie hinsichtlich des Behandlungs- und Aufgabenspektrums falsche Image dürfte dazu führen, dass sich nur ein Zehntel für eine Fachweiterbildung in Allgemeinmedizin entscheidet. Und sollte dies so bleiben, gäbe es künftig zu wenige Allgemeinmediziner, um den Bedarf zu decken und alle frei werdenden Hausarztstellen wieder zu besetzen. Daher gibt es auf Bundes- und Länderebene sowie in den Kommunen, vor allem in ländlichen Räumen und schlecht angebundenen Mittel- und Oberzentren in Randlage, erhebliche Bemühungen die Attraktivität des Hausarztberufs zu steigern. Daraus werden sich sicher interessante Karriereperspektiven für die künftigen Ärztinnen und Ärzte ergeben.

Karriereperspektiven außerhalb von Klinik und Praxis

Besonders vielfältige Alternativen bietet der öffentliche Gesundheitsdienst, ob in Bundeseinrichtungen, wie z.B. dem Robert-Koch-Institut, auf Landesebene oder in den Gesundheitsämtern. Die Aufgabenfelder sind breit gefächert und reichen von der Mitarbeit im Sozialpsychiatrischen Dienst, über die Durchführung von Einschulungsuntersuchungen sowie Begutachtungen von Erwachsenen, über Infektionsschutz und Hygiene bis hin zur Begehung von Kliniken und Arztpraxen.

In der Privatwirtschaft ist das Fachwissen von Ärzten ebenso gefragt. So führt ein wachsendes Interesse der Bevölkerung an medizinischen Themen zu einem steigenden Bedarf an Journalisten mit fundiertem medizinischen Hintergrundwissen. Ob nun der Mediziner bei einer Zeitschrift oder einer Fernsehredaktion arbeitet, eine journalistische Zusatzqualifikation ist erforderlich. Auch in der Pharmaindustrie sind Mediziner willkommen. Dort arbeiten sie vor allem in der klinischen Forschung und im Produktmanagement.

Auch die ärztliche Selbstverwaltrung bietet Medizinern eine weitere berufliche Perspektive. Wer zum Beispiel in der Bundesärztekamme (BÄK), der KBV, der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) oder den Verbänden der Krankenversicherung arbeitet, kann Einfluss auf die ärztlichen Arbeitsbedingungen, aber auch auf die Patientenversorgung nehmen.         

Ihre
Andrea Piro

Der Beitrag ist in der Zeitschrift arzt & karriere – Das Karrieremagazin für Ärzte, Ausgabe 11 / Sommer 2016 erschienen.