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  • Kolumne des Monats

Antworten auf schwierige Fragen des Arbeitslebens – Arbeitsplatz Krankenhaus, Arbeitsleben, Körperpflege, Essgewohnheiten

Es braucht Mut und Motivation für gute Arbeit! [März 2010]

Immer wieder bekommen die Mitarbeiter eines Krankenhauses ihren Geschäftsführer tagelang nicht zu sehen. Es kann sein, dass er da ist, Aufgaben und Terminvorgaben per EMail erteilt und nach wenigen Stunden wieder das Büro verlässt. Es kann aber auch sein, dass er über die Gänge hetzt, jeden anschnauzt und bei Präsentationen rückhaltlos Kritik übt. Alle leben in ständiger Angst vor dem  Termindruck, Fehler zu machen und seiner Kritik, das zersetzt den Mut und die Motivation für gute Arbeit – es ist ein Teufelskreis, der scheinbar nicht zu durchbrechen ist. Oder doch?

Viele Chefs nehmen sich das Recht heraus nach Lust und Laune zu handeln. Sie degradieren ihre Mitarbeiter zu „Dienern“ ihrer Ziele. Dieser Teufelskreis muss unbedingt durchbrochen werden, weil die Mitarbeiter ansonsten ihre Würde verlieren. Doch wer klärt solche Chefs über die negativen Auswirkungen ihres Verhaltens auf? Wenn sich keiner dieses schwierige Gespräch alleine zutraut, könnten  mehrere Mitarbeiter um einen gemeinsamen Gesprächstermin bitten. Denn Chefs haben eine Achillesferse: Sie bekommen nur selten ein ehrliches und offenes Feedback und sind somit sich selbst überlassen. Darum sollten sie von Zeit zu Zeit aufgeklärt werden. Wenn Mitarbeiter ihre Ängste verleugnen, werden sie zwangsläufig krank – das gilt übrigens auch für Chefs. Und wer Angst hat, wird krank, verliert seine Motivation  und wird unproduktiv.


Was tun, Gisela stinkt?
Gisela, 42, ist Teamleiterin und sehr fleißig. Sie arbeitet meist bis spätabends. Leider scheint sie deshalb die morgendliche Dusche und regelmäßigen Wäschewechsel zu verschlafen. Man kann es nicht anders sagen: Gisela stinkt, und zwar jeden Tag. Ihre Mitarbeiter und Kollegen leiden darunter und versuchen persönliche Gespräche mit ihr zu vermeiden. Stattdessen kontaktieren sie sie telefonisch oder schicken ihr  Mails. Einer schlägt vor, Gisela Duschgel, Deo und Zahnpasta auf den Schreibtisch zu stellen. Die anderen finden das geschmacklos. Aber wie kann man Gisela sonst auf ihr Problem aufmerksam machen?

Ein sehr schwieriges Thema. Natürlich muss man mit Gisela sprechen. Anonym der Körperpflege dienende Artikel auf ihren Schreibtisch zu stellen, würde sie nur verunsichern. Ständig würde sie darüber nachdenken, wer ihr das dorthin gestellt hat. Vermutlich würde sie noch mehr ins Schwitzen geraten. Stattdessen sollte eine Kollegin auf sie zugehen und offen sagen: „Es fällt mir sehr schwer das Thema anzusprechen – aber Sie müssen mehr auf Ihre Körperpflege achten“. In solchen Fällen hat man das Recht und eigentlich auch die Pflicht etwas zu sagen. Stattdessen jahrelang den Mief zu ertragen, ist keine Alternative.


Der verkauft meine guten Taten!
Markus, 30, ist Assistenzarzt und darf seit geraumer Zeit auch schwere Operationen durchführen. Der Oberarzt teilt ihn immer öfter als seinen Assistenten ein und lässt Markus zunehmend freie Hand. Markus Ergebnisse sind stets ausgezeichnet, dem entgegen unterlaufen dem Oberarzt immer wieder kleine Fehler. In der täglichen Frühbesprechung werden dem strengen Chefarzt die Resultate präsentiert. Die komplikationslos verlaufenen Operationen verkauft der Oberarzt stets als seine guten Taten, obwohl nicht er, sondern Markus diese vollbracht hat. Wenn es jedoch Probleme gegeben hat, schreibt er diese vor dem Chefarzt Markus zu. Soll Markus den Chefarzt aufklären?

Ja, unbedingt sogar! Markus sollte schnellstmöglich beim Chefarzt die Sache klarstellen – und zwar in einem gemeinsamen Gespräch mit dem Oberarzt. Wegen der herrschenden Hierarchie ist die Sache nicht ohne,  und Markus muss mit diplomatischem Geschick vorgehen. Aber er hat keine Alternative, wenn er seine Selbstachtung nicht verlieren will. Zudem würde sein Nichtstun den Oberarzt einladen, sein  völlig inakzeptables Verhalten zu wiederholen.


Ist das widerlich!
Bernd, 51, und Klaus, 43, sind Krankenpfleger, seit einigen Wochen arbeiten sie auf derselben Station. Dort arbeiten sie zum Wohle der Patienten verantwortungsbewusst  und kollegial zusammen. Ansonsten verbindet die beiden Kollegen kaum etwas. Am unterschiedlichsten sind ihre Essgewohnheiten. Während Bernd  auf Station selten etwas isst, bringt sich Klaus täglich Brote mit, die er schmatzend im Stationszimmer verzehrt. Bernd ist davon so angewidert, dass er sich nicht mehr im Stationszimmer aufhält, wenn Klaus dort is(s)t. Klaus registriert das nicht. Soll Bernd seinen Ekel runterschlucken und die ihm unerträgliche Situation ertragen?

Das ist kein seltener Fall, und zwar von mangelnder Sensibilität. Klaus kann sich nicht in seinen Kollegen hineinversetzen. Wenn Bernd diese Situation nicht jahrelang ertragen will, muss er mit seinem Kollegen reden. Er könnte beispielsweise sagen: „Es tut mir leid, aber Deine Art zu essen stört mich. Und ich sage Dir das, weil Du mir als Kollege sehr wichtig bist“. Bernd könnte noch hinzufügen: „Guten Appetit trotzdem“ und vielleicht damit der Situation die Schwere nehmen.


Keine Idee, was man verbessern könnte!

Herrmann, 59, ist seit Jahren als Chefarzt tätig. Seine Arbeit erledigt er zuverlässig, er muss aber selbst zugeben, dass sein Elan mit den Jahren nachgelassen hat. Er hat schon einige Ärztliche Direktoren kommen und gehen sehen, so dass er über den Gestaltungswillen seiner neuen Vorgesetzten eher müde lächelt. Besonders albern findet Herrmann die Idee demnächst ein Wochenende in Klausur zu verbringen, um über Verbesserungen des Qualitäts- und Risikomanagements im Klinikum zu diskutieren. Herrmann fürchtet sich auch ein wenig vor dem Wochenende, er hat nämlich keine Idee, was man verbessern könnte. Außerdem hat er  das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen. Ob der Vorstand wohl schon überlegt, ihn in Frührente zu schicken?

Ja, Herrmann steht unter Beobachtung. Seine Bequemlichkeit und sein Desinteresse an Veränderungen zeugen davon, dass er in einer Krise steckt. Wenn Herrmann nichts ändert und alles Neue schlechtmacht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er unfreiwillig ersetzt wird.


Karriere oder Familie?
Gabriele, 37, ist in der Klinik, in der sie als Assistenzärztin angefangen hatte, sehr schnell aufgestiegen. Jetzt erhält ihr Chef und Mentor einen Ruf an ein Universitätsklinikum und fragt sie, ob sie ihn als leitende Oberärztin begleiten möchte. Das ist für ihr Alter und ihre Karriere ein tolles Angebot. Aber Gabriele zögert. Eigentlich hatte sie sich für ihr Leben noch andere Dinge erträumt als eine tolle Karriere. Sie will auch eine Familie und hat jetzt schon das Gefühl, dass ihr Privatleben sehr unter ihrem beruflichen Engagement leidet. Andererseits kann sie so ein Angebot ablehnen?

Gabriele sollte sich nicht für ihre Karriere zu Lasten ihrer Familie oder umgekehrt entscheiden (müssen). Sie sollte beides haben (können), wenn das ihr Wunsch ist. Sofern ihr Mentor das nicht mitträgt, ist er sowieso der falsche Chef. Wenn ihr Partner seinen Teil dazu nicht beiträgt, ist er auch nicht der Richtige. Und natürlich braucht es dazu auch familienfreundliche Arbeitsmodelle seitens ihres Arbeitgebers.

Ihre
Andrea Piro